Wirecard-Aktionäre werden sich sicherlich noch sehr gut (und mit wenig Freude) an den Jahresanfang 2016 erinnern, als die Short-Attacke der bis dahin unbekannten Researchfirma Zatarra Research für einen heftigen Kurssturz sorgte. Zatarra veröffentlichte damals eine Studie, in der sie Wirecard betrügerisches Gebaren vorwarf und die Aktie mit „null Euro“ bewertete. Und da zahlreiche namhafte andere Wirtschaftspublikationen daraufhin ebenfalls darüber berichteten, erfüllte die Studie offenbar ihren Zweck und die hinter Zatarra steckenden Personen dürften am Kursrutsch ordentlich Geld verdient haben.
Die Aktien rauschten damals kräftig in den Keller und verloren von rund 47 Euro in der Spitze rund 30 Prozent an Wert. Als sich dann aber nach und nach herausstellte, das offenbar nicht viel an den Vorwürfen dran war, erholten sich die Aktien rasch und legten danach – angetrieben von stetig guten Nachrichten aus dem Unternehmen – eine kräftige Rallye bis auf zuletzt 110 Euro hin. Wohl dem, der damals mutig genug war und nach dem Absturz auf knapp 30 Euro beherzt zugegriffen hat.
Gestern nun schienen viele der Marktteilnehmer, die das Theater von 2016 noch im Kopf hatten, ein kleines Déjà-vu zu erleben. Nur das der Angreifer diesmal nicht Zatarra Research hieß, sondern sich den phantasievollen Namen „Southern Investigative Reporting Foundation“ (SIRF) ausgedacht hat. Der, ähnlich zum Angriff 2016, das Geschäftsmodell von Wirecard komplett in Frage stellt und vor allem Kritik am schnellen Wachstum des Unternehmens übt, das auch aus vielen Akquisitionen resultiert. Das Managament von Wirecard dementierte die Gerüchte, ebenfalls wie Anfang 2016, sofort als falsch.
Die Anleger dagegen sind damals wie heute anfällig für solche Gerüchte. Aktuell wohl auch deshalb, weil die Papiere in den letzten zwei Jahren äußerst kräftig zugelegt haben und damit bei vielen auch der Druck auf den Verkaufknopf recht einfach ist, die Gerüchte ein gern genommenes Argument für Gewinnmitnahmen. Und so stürzten die Aktien auch gestern nach Bekanntgabe der Studie im ersten Moment kräftig ab, zwischenzeitlich um knapp 15 Prozent von 110 bis auf 95 Euro.
Die Angreifer setzten dabei auf ein für sie recht günstiges Umfeld, denn die Luft für Wirecard-Aktien ist nach den kräftigen Anstiegen inzwischen durchaus dünner geworden. Im ersten Moment schien die Spekulation also erneut aufzugehen. Aber anders als beim Angriff von 2016 erholten sich die Papiere genauso schnell wieder, wie der Angriff vorher gedauert hat, und schlossen gestern zum Handelsschluss nur rund 2 Prozent tiefer bei 103,50 Euro. Ein Verlust, der auch so an jedem normalen Handelstag hätte passieren können. Für SIRF kann es sich kurzfristig also nur gelohnt habe, wenn sie vor dem Bericht short gegangen sind (was anzunehmen ist) und direkt bei Kursen um die 95 Euro wieder eingedeckt haben (was eher nicht anzunehmen ist).
Die Anleger jedenfalls scheinen nicht mehr viel auf die Studie der mysteriösen SIRF zu geben, denn die Aktien eröffnen heute nur leicht tiefer bei 102,95 Euro. Ein völlig normaler Kursverlust nach den rund 160 Prozent Kursanstieg aus den letzten 2 Jahren. Der Schock von gestern scheint also bereits überwunden, die Anleger haben offenbar doch ein wenig dazugelernt. Und sollte die Aktie jetzt in den nächsten Tagen doch etwas weiter korrigieren, dann kann das auch eine ganz normalen Kursreaktion sein! Man sollte nicht immer gleich den Panikknopf drücken…