Gestern kam er nun endlich, der lange und mit großer Spannung erwartete Prüfbericht zur Sonderprüfung durch die Wirtschaftsprüfer der KPMG. Die untersuchten die in den letzten Jahren in schöner Regelmäßigkeit immer wieder aufgeworfenen Vorwürfe über Bilanzmanipulationen und unsaubere Umsatzverrechnungen beim Bezahldienstleister Wirecard. Die Hoffnung war groß, dass die Prüfer mit ihrem Ergebnis Wirecard ein für allemal von den Vorwürfen freisprechen und der Weg der Aktien in Richtung alte Rekordstände so wieder frei gemacht wird.
Inzwischen wissen alle, dass es anders kam und nach dem Prüfbericht mindestens genauso viel offene Fragen bleiben, wie vorher. Für den Aktienkurs bedeutet das, dass die Zeit des Unsicherheit weitergeht. Und die wollen viele Anleger nicht weiter ertragen, vor allem die nicht, die auf eine endgültige Entlastung spekuliert hatten. Und so kommt, was kommen musste: Bereits gestern rauschen die Aktien von Wirecard in den Keller, bis zum Handelsschluss um 26 Prozent auf 97,60 Euro. Das ließ bei vielen Anlegern wieder Erinnerungen an Zeiten aufkommen, als Vorwürfe der Financial Times die Aktien oft zweistellig einbrechen ließ. Wer aber heute auf eine Gegenbewegung gesetzt hat, hat sich vorerst verspekuliert. Denn ist das Vertrauen erstmal weg, sind es auch die Käufer. Und so brechen Wirecard heute um weitere 8 Prozent auf 89,80 Euro ein und rutschen langsam in Richtung des Jahrestiefs am Höhepunkt der Coronakrise.
Das Vertrauen ist aber nicht nur bei den Anlegern weg, sondern auch bei zahlreichen Analysten, die das Ergebnis des Prüfberichts jetzt in ihre Einschätzung zur Aktie einfließen lassen. Mit dem Ergebnis, dass Einstufungen geändert und Kursziele angepasst werden.
Ihre Einstufung von „Kaufen“ auf „Halten“ hat heute die NordLB angepasst, das Kursziel aber bei 102 Euro belassen. Analyst Wolfgang Donie stellt dabei fest, dass nach de Bericht der KPMG-Sonderermittler „wesentliche Fragen weiter ungeklärt bleiben„. Vor allem der Zeitraum von 2016 bis 2018 bleibt für ihn weiter „ein schwarzes Loch„, so dass „neuen Vorwürfen gegen den Zahlungsabwickler Tür und Tor geöffnet blieben„.
Ähnlich sieht das sein Kollege Harald Schnitzer von der DZ Bank, der seine Einstufung auch von „Kaufen“ auf „Halten“ zurücknimmt. Seiner Meinung nach hat „das Gutachten nicht den erhofften Befreiungsschlag gebracht„. Zudem bemängelt er, dass sich nun auch die Veröffentlichung des Geschäftsberichts für 2019 verzögert. Da er mit Unsicherheiten aufgrund rechtlicher Unwägbarkeiten rechnet, reduziert er sein Kurziel gleichzeitig deutlich von 132,80 auf nur noch 105 Euro.
Ihre neutrale Haltung zur Aktien betätigen heute auch die Analysten der US-Großbank JPMorgan, die das Kursziel weiterhin bei 150 Euro sehen. Auch Analyst Sandeep Deshpande sieht nach dem Bericht aktuell „zu viele Unbekannte„, um positiver auf die Aktie zu blicken.
Für Wirecard dürfte es nun ein langer Weg sein, verspieltes Vertrauen zurückzugewinnen. Zumal nun nicht mehr die Hoffnung auf einen positiven Prüfbericht, wie in den letzen Monaten, besteht. Das dürfte auch zukünftig sehr schwer auf der Aktien lasten!
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