Der Zahlungsabwickler Wirecard wird vorerst seinen Geschäftsbetrieb „im besten Interesse der Gläubiger fortsetzen„, ließ der Konzern am Samstag seine Kunden und Partner per Ad-hoc-Mitteilung wissen. Weiter teilte Wirecard mit, dass – wie vom Vorstand bereits am 25. Juni 2020 bekannt gegeben – der Vorstand beim Amtsgericht München ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt hat. Vom Amtsgericht wurde in einem ersten Schritt der Münchner Rechtsanwalt Dr. Michael Jaffe‘ als Sachverständiger berufen.
Während also der Geschäftsbetrieb der Konzerngesellschaften fortgeführt werden soll (going concern), wird die Konzernmutter Wirecard AG „einige zentrale Funktionen“ für die Tochtergesellschaften erbringen. Zudem soll laufend geprüft werden, ob auch Insolvenzanträge für Wirecard-Töchter gestellt werden müssen.
Nicht Teil des Insolvenzverfahren ist aktuell die Wirecard Bank, auch der Zahlungsverkehr der Bank ist nicht betroffen, Auszahlungen an Händler waren aktuell ohne Einschränkungen durchgeführt.
Das besonders in der Kritik stehende Geschäft mit Drittpartner (TPA Geschäft) wird nach Angaben von Wirecard aktuell weiter geprüft. Dazu hat der neue CEO James H. Freis mit Amtsantritt „einen neuen Ansatz zur Aufklärung der bekannten Vorwürfe eingeleitet„. Zudem sollen bekannte Beraterfirmen Wirecard unterstützten, die Aufklärung voranzutreiben und die Neutralität und Unabhängigkeit von früheren Vorständen zu gewährleisten.
Offen bleibt, ob die jetzt eingeleiteten Maßnahmen etwas bewirken und Wirecard die nächsten Tage bzw. Wochen überlebt (und wenn ja, in welcher Form). Oder ob der aktuelle Vorstand einfach das Tablet anrichtet, und die bereits bereitstehenden Interessenten sich bei den interessantesten Happen bedienen. Die Aktionäre jedenfalls, so schaut es aktuell aus, dürften mit großer Sicherheit die ganz großen Verlierer bleiben. Denn das Wirecard – ganz im Sinne des going concern – nochmal die Kurve kriegt und zumindest einige der Kunden dem Unternehmen treu bleiben – scheint nahezu aussichtslos.
Wirecard-Aktien, die seit dem Ausbruch des Sturms vorvergangenen Donnerstag rund 98 Prozent an Wert verloren haben und zuletzt auf 1,28 Euro abgerutscht sind, klettern vorbörslich bei Lang & Schwarz rund eine halbe Stunde vor Handelsstart zwar kräftig um rund 30 Prozent auf 1,65 Euro. Aber das dürfte aktuell für kaum jemand ein Grund zur Freude sein.
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